Gastartikel von Unternehmensberater Johannes Maib: Über Geld spricht man nicht in Liechtenstein!
Kürzlich erreichte mich eine unerwartete Ehre. Seine Durchlaucht Prinz Philipp Fürst von und zu Liechtenstein lud mich auf Schloss Freudenfels in der Schweiz ein. Auf dem "17. Management Review Meeting" stellte er die Anlagestrategien seiner LGT Bank und seiner fürstlichen Vermögensverwaltung vor.
Der Fürst ist kein armer Mann. Ihm und seiner Familie gehören, wie wir erfahren, knapp zwei Milliarden eigenes Geld und neun Milliarden anderer reicher Leute, die er und seine "Manager" weltweit anlegen. Dazu dutzende Schlösser und Residenzen und eine unschätzbare Kunstsammlung, die seine Familie durch die Jahrhunderte und die Enteignungen nach dem Krieg gerettet haben und um die sich die Museen weltweit reissen.
Empfang in der Kartause Ittingen. Nach und nach finden sich rund 40 weitere Gäste des Fürsten ein. Verkostung der Produkte des Musterguts (5 Sterne!), danach Dinner mit Tafelmusik von drei Wunderkindern (kein Witz!) an der Geige und am Klavier. An unserem Tisch ein Unternehmer, der seinen Elektroteilegrosshandel an Schweden verkauft und sich ein Boot an der Ostsee zugelegt hat. Ein anderer hatte sein Softwareunternehmen verkauft und freundet sich zögernd mit seiner neuen S-Klasse an. Erfolgreiche, mittelständische Unternehmer, die nach dem Verkauf Anlagebedarf erwarten lassen. Auch wenn ich nicht dazu gehöre, interessant sind diese Menschen allemal. Ihre Geschäftsidee, wenn man es überhaupt so nennen möchte, ist eher eine Mischung aus Zufall und Chance. Es sind ihre ansteckende, unermüdliche Energie und der Ehrgeiz, besser zu sein als die Grosskonzerne, die diese Unternehmer antreibt.
Im deutschen Mittelstand verkauft man sein Unternehmen, wenn man alt ist und die Kinder es nicht übernehmen wollen. In der "new economy" verkauft man sein Unternehmen, wenn die aus Zukunftsfantasien aufgeblasene Bewertung hoch genug ist und man lieber was Neues gründet, als weiter Knecht der Investoren zu sein. Der Umgang mit Vermögen, mit weltweiten Anlagestrategien, mit volkswirtschaftlichen Szenarien, das ist nicht das Ding handfester Unternehmer. Da schlägt dann die Stunde der Hirnies, die Riege der fürstlichen Anlageexperten.
Charts, fürstliche Strategien, Illiquiditätsprämien im PE-Portfolio, Solvency II und Insurance-Linked-Securities lässt man geduldig über sich ergehen. Da wachen einige auf: Anlagen mit Versicherungsschutz? Nein. Anlagen als Versicherer. Die Versicherungen wollen diese ganz, ganz seltenen Risiken nicht in ihren Büchern haben und geben sie mit üppigen Prämien ab. Muss man dazu nicht selbst Versicherer sein? Nein, nicht wenn man das ganze Haftungsrisiko als Kapital hinterlegt. Ach so. Sind die Versicherer nicht ausgeschlafene Profis, die nur die Risiken abgeben, die sie für unrentabel halten? Nein, auch der Fürst hat acht Leute, die sich mit diesem Geschäft auskennen.
Wenige, höfliche Fragen – die Anwesenheit Seiner Durchlaucht erlaubt keine Respektlosigkeit wie Fragen nach Performance oder Kosten. Aber wo bleiben die Fragen nach den Risiken oder Chancen der Geldschwemme der EZB? Hohe Aktienbewertungen im DAX, noch höhere in den USA, Risiken des BREXIT, Wachstumsschwäche in China – alles Themen, die den Anleger nur verunsichern. Er soll sich in den Armen des Fürsten, dessen Vermögen über die Jahrhunderte Kriege und Revolutionen überstanden hat, sicher und geborgen fühlen.
Und was mache ich jetzt als Kleinsparer, der nicht auf künftige Generationen vertraut, die ihm die Rente zahlen? Lebensversicherung, Sparpläne, Riesterrente – ein trauriges Kapitel. MLP-Versicherungsvertreter sind auf der verzweifelten Jagt nach hoffnungsvollen Berufsanfängern, die sich mit so etwas noch über den Tisch ziehen lassen. Die EZB mit ihrer Nullzinspolitik will, dass wir das Geld raushauen und damit den privaten Konsum und die Konjunktur ankurbeln. Immobilienkäufer hoffen darauf, dass Realvermögen von einer Inflation nicht aufgefressen wird und Häuser nur an Wert gewinnen können. Aktienanleger haben seit 2009 fast nur gewonnen, aber bekommen seit Jahresbeginn kalte Füsse.
Also was tun? Ich bin ein schlechter Ratgeber. Hätte ich meine Spargroschen unter die Matratze gelegt, mir wären viele Enttäuschungen erspart geblieben.
Sind Aktien nicht auch eine reale Beteiligung an einem Unternehmen? Im Prinzip ja, nur ist die Börse zu einem guten Teil ein Spielkasino mit Tricksern, Spekulanten und Falschspielern, die nur darauf warten, naive Anleger abzuzocken. Und selbst von den Börsenprofis schafft es kaum Einer von zehn, besser anzulegen als die marktbreiten Aktienindizes. Die unabhängige "Stiftung Warentest" veröffentlicht jeden Monat im "Finanztest" ihre Empfehlungen: ETFs, langfristige Anlagedisziplin, Warnungen vor hohen Renditeversprechen – alles sooo langweilig. Nur wenn man es irgendwann später braucht, das Geld, dann ist man froh, eine langweilige Strategie durchgehalten zu haben. Und dazu muss man weiss Gott kein Fürst sein.
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Dieser Artikel wurde in den Freelancer-Schweiz-News 06/2016 veröffentlicht.