Was hat Geld verdienen mit Vertrieb zu tun?
Sie werden sich beim Lesen der Überschrift gefragt haben, was die Frage eigentlich soll. Dabei findet die Frage ihre Berechtigung in unserer täglichen Geschäftswelt. Denn spätestens nach der Finanzkrise wissen wir alle, dass Geld-, Profit-, Wachstums- oder Shareholder-Value-getriebene Firmen und deren Mitarbeiter sich verspekuliert und sehr weit über das Ziel hinaus geschossen haben.
Was bei den Grossbanken zu einer weltweiten Krise geführt hat, ist in den meisten Firmen gang und gäbe. Wer heute im Vertrieb arbeitet, orientiert seine Leistung und seinen Verdienst nach den erzielten Umsatzzahlen, Profit oder anderen finanziellen Messgrössen. Das ist auch nicht verkehrt. Problematisch wird es, wenn der Umsatz uns bei der Erbringung unserer Arbeit zum einzigen Treiber mutiert und wir schlussendlich nur Zahlen hinterher rennen. Dabei vergessen wir zu oft, dass der Kunde sein hart verdientes Geld an uns zahlt, weil er einen Mehrwert von seiner Kaufentscheidung erwartet. In vielen Fällen, und unter dem Erfolgsdruck, agieren Verkäufer nur im eigenen Interesse oder im Interesse ihres Unternehmens, oder beides.
Die Zeiten haben sich zum Glück zu Gunsten des Käufers, sei er Privatkonsument oder Firmenkunde, geändert. Der Konkurrenzkampf zwischen den Anbietern um die Gunst des Käufers führt dazu, dass sich Verkäufer mehr anstrengen, um den Kunden von ihren Produkten und Dienstleistungen zu überzeugen.
Ich habe eine faszinierende Geschichte im Bestsellerbuch "GO-GIVERS SELL MORE" von Bob Burg gelesen. James P. Smith arbeitet als regionaler Vertriebler für eine Firma, die Marketingdienstleistungen vertreibt. Nach einem Kundenmeeting war er fest davon überzeugt, dass der Kunde den Vertrag mit ihm für den Erwerb seiner Dienstleistungen unterschreiben wird. Auf dem Weg nach Hause ruft ihn der Kunde an und fragt ihn, ob er sein Angebot um ein kleines Feature ergänzen könnte. Die typische Antwort eines Verkäufers wäre sofort: "Ja, das werden wir für Sie machen". James wusste aber, dass seine Firma dieses Feature in absehbarer Zeit nicht entwickeln und implementieren kann.
Wäre James der typische Verkäufer, der einfach seine Umsatzzahlen erreichen und sein Einkommen aufbessern will, würde er sofort die gewünschten Änderungen zusagen. Später kann er irgendwelche Ausreden finden, um die fehlenden Features zu rechtfertigen. Was James machte ist aber aussergewöhnlich. Er erklärte seinem Kunden, dass die Features nicht geplant seien und er empfahl dem Kunden das Produkt eines Mitbewerbers (ja, Sie lesen es richtig). Der Kunde bedankte sich bei James für seine Ehrlichkeit, seinen Mut, und seinen Geschäftssinn. Was danach folgte ist erstaunlich. Der Kunde entwickelte später eine strategische Partnerschaft mit der Firma, in der James arbeitet. Der Kunde empfahl seinen anderen Partnern die Dienstleistungen von James' Firma; und sein Mitbewerber erwiderte die Geste von James mit weiteren Empfehlungen.
Diese Geschichte schildert uns, was in vielen wissenschaftlichen Studien schon belegt ist. Wenn Firmen für ein höheres, sinnstiftendes, wertorientiertes Geschäftsziel arbeiten, erzielen sie mehr Umsatz und sind profitabler als andere Firmen, die ihr Geschäftsengagement im Markt am Shareholder-Value ausrichten.
Anthony Iannarino, ein Bestsellerautor, Speaker, Coach und Berater, sagte, dass Geld nicht das eigentliche Ziel sein sollte. Zuerst kommt der Kundenmehrwert, den wir mit unserem Produkt oder unserer Dienstleistung generieren, dann kommt das Geld. Der Preis ist ein Ergebnis unseres Geschäfts mit dem Kunden, aber kein Ziel.
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Dieser Artikel wurde in den Freelancer-Schweiz-News 09/2017 veröffentlicht.