Warum Schweizer Auftraggeber bei Freelancern aus Deutschland oft zögern – und was wirklich zählt
Vor ein paar Tagen schrieb mir eine Freelancerin. Spezialisiert auf Bürodienstleistungen, freundlich, kompetent, schnell.
Sie hatte über unsere Plattform mehrere Anfragen von Schweizer Kunden erhalten – auf den ersten Blick echte Chancen.
Doch dann kam der Knick:
„Sobald sie merken, dass ich in Deutschland wohne, kommt keine Antwort mehr.“
Nicht gerade motivierend.
Vielleicht denkst du jetzt: „Naja, irgendwo verständlich … man will halt jemanden, der näher dran ist.“
Und ja – diese Reaktion ist nicht selten.
Diese innere Stimme, die sagt: „Lieber lokal. Sicher ist sicher.“
In diesem Artikel schauen wir bewusst auf beide Seiten:
Was geht im Kopf von Schweizer Auftraggebern vor – und wie erleben Freelancer aus Deutschland genau diese Situation?
Ziel ist nicht, zu verurteilen. Sondern zu verstehen, zu reflektieren – und einen Schritt weiterzukommen. Gemeinsam.
1. Nähe gibt Sicherheit – aber oft nur gefühlt
„Was, wenn was schiefläuft?“
Diese Frage steht unausgesprochen im Raum.
Viele denken, es sei einfacher, eine Schweizerin zur Rechenschaft zu ziehen als jemanden im Ausland.
Nähe wirkt wie ein Sicherheitsgurt: Man hofft, ihn nie zu brauchen – aber man schnallt sich trotzdem an.
Nur: Was, wenn Leistung und Verlässlichkeit gar nichts mit dem Wohnort zu tun haben?
2. Datenschutz ≠ Distanz
Vertrauliche Daten machen nervös – logisch.
Löhne, Kundenlisten, Bilanzen. Wer das auslagert, will Sicherheit.
Aber Hand aufs Herz:
Glaubst du, dass bei der UBS alle Daten nur durch Zürich laufen?
Sie hat Standorte weltweit. Der Zugriff? Global. Und doch vertrauen ihr Millionen.
Ist es wirklich der Standort – oder nur das Gefühl, die Kontrolle zu verlieren?
3. Nähe garantiert keine Erreichbarkeit
Nur weil jemand in Basel sitzt, ist er nicht automatisch verfügbar.
Manche Freelancer in Konstanz sind schneller, strukturierter, verbindlicher – als jemand aus Zürich.
Nähe klingt praktisch. Ist aber kein Versprechen.
Service ist keine Frage der Geografie, sondern der Haltung.
4. Der Preis wirkt verdächtig – obwohl er fair ist
„Wenn’s günstig ist, muss irgendwo der Haken sein.“
Dieser Gedanke sitzt tief. Besonders, wenn jemand aus Deutschland arbeitet.
Aber: Preis = Qualität? Nicht zwingend.
Lebenshaltungskosten, Steuern, Krankenkasse – all das wirkt sich auf den Stundensatz aus.
Was für dich günstig aussieht, kann für den Freelancer solide kalkuliert sein – und völlig seriös.
5. Die Branche entscheidet mit
Design? Da zählt das Ergebnis.
Buchhaltung? Da zählt Vertrauen.
Wer mit sensiblen Kundendaten arbeitet, sollte das lokale Umfeld kennen – sagen viele.
Klingt einleuchtend.
Aber ist Herkunft wirklich der einzige Weg zu Verständnis?
6. Vertrauen will gespürt werden
Manche Dinge wollen wir nicht nur geregelt wissen – wir wollen fühlen, dass sie geregelt sind.
Eine Dienstleisterin um die Ecke gibt Ruhe. Nicht, weil sie öfter vorbeikommt – sondern weil´s sich besser anfühlt.
Vertrauter. Greifbarer.
Verständlich.
Und trotzdem nicht immer rational.
7. Der blinde Fleck: Unbewusste Vorurteile
Vielleicht liegt’s gar nicht an der Adresse. Sondern an Denkmustern.
Wer „Deutschland“ liest, denkt: „Nicht unsere Kultur.“
Wer „nicht vor Ort“ liest, denkt: „Unberechenbar.“
Nicht aus böser Absicht.
Aber Gefühle entscheiden schneller als Argumente.
Gerade, wenn Zeit knapp ist – oder Vertrauen fehlt.
Vertrauen wächst nicht durch Nähe – sondern durch Erfahrung
Vielleicht denkst du gerade:
„Ich versteh das alles – aber ich fühl mich trotzdem sicherer, wenn jemand hier ist. In der Nähe. Greifbar.“
Völlig okay.
Das ist menschlich.
Wir vertrauen eher dem, was uns vertraut vorkommt.
Das schützt – aber es bremst auch.
Was, wenn du dadurch jemanden verpasst, der genau das liefert, was du suchst?
Nur eben mit anderer Postleitzahl?
Was, wenn dich genau dieser eine Kontakt überrascht – mit Verlässlichkeit, Qualität und Weitblick?
Vertrauen ist kein Ort.
Es ist eine Erfahrung.
Es entsteht nicht durch Grenzen – sondern durch Begegnung.
Und manchmal beginnt alles mit einem kleinen Schritt:
eine Antwort schreiben – auch wenn die Adresse ungewohnt klingt.
Denn am Ende zählt nicht, wo jemand wohnt.
Sondern ob du dich auf sie verlassen kannst.
Nächster Gedanke für dich:
Wenn dich jemand wirklich überzeugt – aber „DE“ im Profil steht –, frag dich:
Will ich’s wirklich davon abhängig machen?
Mut beginnt oft leise.
Und Vertrauen wächst genau dort, wo du’s nicht erwartet hast.
Über den Autor
Name: Amor Dhaouadi
Kurzbeschreibung:
Amor ist dein Partner und Helfer, wenn du mehr Erfolg im Beruf und im Geschäft haben willst.
Gibt Orientierung bei komplexen Entscheidungen in Vertrieb, Marketing und Strategie.
Unterstützt Solopreneure und Unternehmer dabei, Klarheit zu gewinnen, Potenziale zu erkennen und wirkungsvolle Schritte umzusetzen.
Der Fokus: praxisnahe Impulse, die Wachstum fördern – persönlich, unternehmerisch und strategisch.
Falls Sie Anregungen haben oder unseren Newsletter abonnieren möchten, können Sie uns hier gerne eine Nachricht hinterlassen:
Dieser Artikel wurde in den Freelancer-Schweiz-News 06/2025 veröffentlicht.



