Zehn echte Berufshaftpflicht-Fälle für Freelancer in der Schweiz
Im letzten Artikel haben wir dir erklärt, warum die Berufshaftpflicht für Freelancer so wichtig ist. Kurz gesagt: Sie kann dich im Ernstfall vor dem kompletten Absturz bewahren. Falls du ihn verpasst hast, hier entlang.
Aber mal ehrlich: Nichts überzeugt mehr als echte Geschichten. Genau deshalb haben wir zehn reale Fälle aus dem Freelancer-Alltag herausgesucht. Manche davon wirken fast unglaublich, doch sie sind tatsächlich passiert.
1. Headhunter vermittelt vorbestraften CFO
Was ist passiert?
Ein Headhunter prüft den Kandidaten nicht gründlich genug. Nach der Einstellung tauchen Unregelmässigkeiten auf – später stellt sich heraus: Vorstrafe wegen Betrugs. Der Auftraggeber fordert Kosten für Suche, Einarbeitung und Schadenersatz (≈ CHF 145’000).
Wie ist es ausgegangen?
Die Consulting-Haftpflicht reguliert den Schaden: Der Versicherer zahlt rund CHF 145’000. Heisst: Schon vor der Schuldfrage entstehen Kosten – Absicherung bremst den Absturz.
Was tun im Ernstfall?
Sofort melden, keine Schuldanerkenntnisse, Kommunikation über den Versicherer. Referenzen und Führungszeugnisse nachreichen.
Mini-Checkliste
- Identitäts- & Background-Checks dokumentieren
- Prüfpfad (Referenzen, Zeugnisse) im CRM ablegen
- Vorlagen für Kandidaten-Freigaben nutzen
- Police + Deckungssummen griffbereit
2. IT-Freelancer löscht Kundendaten
Was ist passiert?
Bei einer Datenmigration werden produktive Daten überschrieben/gelöscht. Projekte stehen.
Wie ist es ausgegangen?
Versicherer übernimmt u. a. Datenforensik und Wiederherstellung (> CHF 5’000); hohe Folgeschäden werden abgewehrt/abgefedert. Heisst: Schnelles, strukturiertes Handeln minimiert den Schaden.
Was tun im Ernstfall?
Systeme einfrieren, keine Eigenexperimente, Recovery über den Versicherer. Vorgang und Zeiten lückenlos dokumentieren.
Mini-Checkliste
- 3-2-1-Backup + Restore-Tests
- Changes nur mit Rollback-Plan
- Trennung: Test vs. Produktion
- Incident-Runbook + Notfallkontakte
3. Consulting-Analyse angegriffen (LED-Strassenbeleuchtung)
Was ist passiert?
Gemeinde rüstet auf LED um, klagt über Mehrkosten und «fehlende Einsparungen» und fordert ≈ CHF 21’400 von der Beraterfirma.
Wie ist es ausgegangen?
Kein Beratungsfehler; Kanzlei wehrt die Forderung ab (passiver Rechtsschutz). Heisst: Nicht jede Forderung ist berechtigt – Verteidigung kostet sonst dich.
Was tun im Ernstfall?
Anspruch ungeprüft nicht akzeptieren. Scope/Abnahmen/Annahmen belegen.
Mini-Checkliste
- Leistungsabgrenzung klar (Scope/Annex)
- Abnahmeprotokolle & Übergaben sichern
- Annahmen/Parameter im Angebot festhalten
- Rechtsschutzfunktion der Police kennen
4. Programmierfehler – kleine Ursache, grosser Betrag
Was ist passiert?
Zahlendreher/Code-Bug löst Massenversand bzw. falsche Ergebnisse aus; Folge: Neuauflagen, Versand-, Support- und PR-Kosten (z. B. 14’000 € oder 11’000 €).
Wie ist es ausgegangen?
IT-Haftpflicht ersetzt berechtigte Ansprüche – teils auch bei Projekten vor Versicherungsbeginn (je nach Bedingungen Vorumsatz-/Rückwärtsdeckung). Heisst: Der echte Killer sind Vermögensschäden.
Was tun im Ernstfall?
Impact stoppen (Feature-Flag/Rollback), Schaden quantifizieren, zentral melden. Keine Vergleiche ohne Versicherer.
Mini-Checkliste
- Vier-Augen-Code-Review & Tests
- Staging + Feature-Toggles
- Logging & Reproduzierbarkeit
- SLA zur Fehlerbehebung
5. Datenschutzverstoss (DSG/DSGVO)
Was ist passiert?
Mail-Adressen in «CC», unverschlüsselte Daten, verspätete Meldung – von Abmahnung bis Bussen, oft vier- bis fünfstellig.
Wie ist es ausgegangen?
Versicherer prüft, wehrt unberechtigte Ansprüche ab, trägt – wo rechtlich möglich – Drittschäden; fristgerechtes Melden senkt das Risiko. Heisst: Prozesse schlagen Panik.
Was tun im Ernstfall?
Innerhalb 72 h bewerten & melden, Betroffene informieren, Incident dokumentieren, forensisch sichern. Juristische Begleitung über die Police.
Mini-Checkliste
- Verschlüsselung & BCC-Policies
- Verarbeitungsverzeichnis/AV-Verträge
- Meldeprozess (72 h) testen
- Cyber-/Datenschutz-Baustein prüfen
6. Fehlerhafte Übersetzung – Deal platzt
Was ist passiert?
Terminologiefehler in Verträgen/Marketing führt zu Missverständnissen, Fristproblemen, Vermögensschaden.
Wie ist es ausgegangen?
Media-/Berufshaftpflicht prüft, zahlt berechtigte Schäden, verteidigt unberechtigte – je nach Police auch weltweit. Heisst: «Nur Text» kann teuer sein.
Was tun im Ernstfall?
Sofort korrigieren, Schaden begrenzen (Neuauflage), Kommunikation bündeln – über den Versicherer.
Mini-Checkliste
- Vier-Augen-Prinzip/Glossar nutzen
- Freigabe-Protokoll vom Kunden
- Versionierung & Terminologie-Tools
- Haftpflicht-Nachweis für Auftraggeber
7. Fotograf beschädigt fremdes Eigentum
Was ist passiert?
Beim Shooting geht eine Skulptur zu Bruch (Wert 23’000 €; Schadenersatz ≈ 6’000 €). Typischer Sachschaden.
Wie ist es ausgegangen?
Regulierung über Betriebs-/Bürohaftpflicht; auch Drohnenpannen/Feuerwehreinsatz grundsätzlich versicherbar. Heisst: Geschwindigkeit zählt.
Was tun im Ernstfall?
Schaden sichern/fotografieren, Zeugen notieren, keine Spontanzusagen, sofort melden.
Mini-Checkliste
- Location-Begehung + Kabelsicherung
- Obhutsschäden (gemietet/geliehen) prüfen
- Drohnen-Regeln/Führerschein beachten
- Selbstbehalt kennen
8. Markenrecht verletzt (Agentur/IT)
Was ist passiert?
Logo/Slogan ohne Marken-Check genutzt → Abmahnung. Eigenmächtige Verhandlung erzeugt zusätzliche Einigungsgebühr.
Wie ist es ausgegangen?
Versicherer übernimmt berechtigte Abmahnkosten (z. B. 900 €), nicht aber Gebühren aus Eigenverhandlungen. Heisst: Erst melden, dann reden.
Was tun im Ernstfall?
Abmahnung weiterleiten, Fristen einhalten, Unterlassungserklärung prüfen lassen, nichts unterschreiben ohne Freigabe.
Mini-Checkliste
- Marken-/Bildrechte recherchieren & dokumentieren
- Rechtekette (Lizenzen/Stock) sichern
- CI-Freigaben archivieren
- «Erst Versicherer, dann reden»
9. Personal Training/Coaching – Personenschaden
Was ist passiert?
Falsche Anleitung/unsichere Umgebung → Teilnehmer verletzt sich (z. B. Sturz über Kabel). Personenschaden mit Folgekosten.
Wie ist es ausgegangen?
Büro-/Betriebshaftpflicht (Baustein der Berufshaftpflicht) prüft, wehrt ab oder zahlt. Heisst: Doku & Sicherheit sind halbe Miete.
Was tun im Ernstfall?
Erste Hilfe, Ereignis dokumentieren, keine Schuldanerkenntnisse, Versicherer einbinden, Trainingsdoku sichern.
Mini-Checkliste
- Sicherheitsbriefing & Haftungshinweise
- Bodensichtung/Absperrung/Kabelmanagement
- Trainingsplan + Health-Check dokumentieren
- Notfall-/Ersthelfer-Routine
10. Kritische Frist verpasst (Buchhaltung/Energieberatung)
Was ist passiert?
Förder-/Steuer- oder Behördenfrist übersehen → Zuschuss/Entlastung entfällt; Schadenersatzforderung (z. B. CHF 4’000 oder anteilig CHF 7’500 nach Vergleich).
Wie ist es ausgegangen?
Versicherer prüft Kausalität/Mitverschulden, verhandelt Vergleich oder zahlt berechtigte Summe (z. B. 75 % übernommen). Heisst: Fristen killen Budgets – Prozesse schützen.
Was tun im Ernstfall?
Sachlage offenlegen, Fristverlauf belegen, Wiedergutmachung/Alternativen anbieten – alles über den Versicherer.
Mini-Checkliste
- Fristenboard + Eskalationspfad
- Vier-Augen-Prinzip bei Anträgen
- Empfangs-/Upload-Nachweise sichern
- Haftungsgrenzen im Vertrag definieren
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FAQ (kurz & hilfreich)
Brauche ich als Freelancer in der Schweiz eine Berufshaftpflicht?
Rechtlich nicht zwingend. Wirtschaftlich oft sinnvoll – schon kleine Fehler können grosse Vermögensschäden auslösen.
Was deckt Vermögensschaden konkret ab?
Reine Finanzverluste beim Auftraggeber (z. B. Ausfall/Umsatzverlust durch Fehler/Versäumnisse) – ohne dass etwas „kaputt“ sein muss.
Ist passiver Rechtsschutz immer drin?
Nein. Unbedingt prüfen. Er übernimmt die Abwehr unberechtigter Ansprüche (Anwalt, Gutachten, Gericht).
Wie hoch sollte die Deckungssumme sein?
Orientierung: 1–3 Mio. CHF für typische Solo-Freelancer. Hängt von Branche, Umsatz, Projektrisiken ab.
Weitere Quellen
- Mehr Information und Hintergrund zu den 10 Fallbeispielen findest du unter: exali (CHF/DE)
- Ergänzend: Kaderverband (CH) – Berufshaftpflicht für Beraterberufe.
- Ratgeber: Mobiliar (CH) – Die wichtigsten Versicherungen für Freelancer und Selbständige.
Wichtiger Hinweis (Disclaimer)
Dieser Beitrag dient der allgemeinen Information und ersetzt keine Rechts- oder Versicherungsberatung. Es wird keine Haftung für die Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität der Inhalte übernommen. Für individuelle Fragen wende dich bitte an deinen Versicherer oder Broker.
Über den Autor
Name: Amor Dhaouadi
Kurzbeschreibung:
Amor ist dein Partner und Helfer, wenn du mehr Erfolg im Beruf und im Geschäft haben willst.
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Unterstützt Solopreneure und Unternehmer dabei, Klarheit zu gewinnen, Potenziale zu erkennen und wirkungsvolle Schritte umzusetzen.
Der Fokus: praxisnahe Impulse, die Wachstum fördern – persönlich, unternehmerisch und strategisch.
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Dieser Artikel wurde in den Freelancer-Schweiz-News 09/2025 - Erstausgabe veröffentlicht.



